Der verdrängte Störfall im Atomkraftwerksblock Gundremmingen A am 13. Januar 1977

Atomkraftgegner erinnern an Atomunfall in Deutschland mit "Totalschaden"

Nach Auffassung des atomkritischen "Forum Gemeinsam gegen das Zwischenlager" hat es die "manipulative PR-Arbeit der RWE AG" geschafft, dass der schwere Unfall, der vor 30 Jahren den Betrieb von Deutschlands erstem Großkernkraftwerk beendet habe, "nicht im öffentlichen Bewusstsein unseres Landes verankert" ist. Es geht um einen Unfall im Atomkraftwerksblock Gundremmingen A am 13. Januar 1977. Dort kam es nach Angaben der Bürgerinitiative um 18:44 Uhr in der nach Meitingen führenden 220-Kilovolt-Leitung durch Raureifbildung und kältebedingten Isolatorenbruch zum Kurzschluss. Um 21.17 Uhr sei es dann auch noch in der zweiten Stromtrasse aus den gleichen Gründen zum Kurzschluss gekommen. Damit habe keine Stromleitung mehr zum Abtransport des mit 237 Megawatt elektrischer Nettoleistung im Gundremminger Block A erzeugten Stroms zur Verfügung gestanden. In der weiteren Folge sei es zum "Totalschaden" und später zur endgültigen Stilllegung des von RWE betriebenen Atomkraftwerks geko! mmen.

Nach den Kurzschlüssen in den Stromtrassen hätten die Turbinen des Atomkraftwerks und die Dampferzeugung im Reaktor so weit automatisch gedrosselt werden müssen, dass nur noch elektrischer Strom für den Eigenverbrauch des Atomkraftwerks selbst - etwa 15 Megawatt - produziert worden wären. "Aber die Regelung funktionierte fehlerhaft", so Raimund Kamm von der Bürgerinitiative. "Ein Relais hing, so dass ein Absperrschieber vor der Turbine erst nicht öffnete. Der Reaktor musste schnell abgeschaltet werden, was - Gott sei Dank - auch in Sekunden gelang."

Nachdem ein zweiter, redundanter Schieber aufging, öffnete doch noch der erste Schieber. Dadurch fiel ungeplant und schnell der Druck im Hauptkreislauf. Die Automatik interpretierte dies als höchst gefährlichen Aufriss der Hauptleitung und setzte die Noteinspeisung in Gang. Vorgewärmtes Notkühlwasser wurde eingepresst." Das war offenbar zu viel, der Druck stieg den Angaben zufolge zu stark und Überdruckklappen beziehungsweise Berstscheiben entlasteten den Reaktor.

Rund 400 Kubikmeter 280 Grad heißes radioaktives Wasser sollen sich in das Reaktorgebäude ergossen haben. "Zusätzlich begann die Reaktorsprühanlage, wie bei solcher Hitze vorgesehen, zu arbeiten. Im Reaktor stieg das heiße radioaktive Wasser auf drei bis vier Meter an."

Die Kraftwerksleitung ließ nach dem Unfall verlautbaren, dass die technischen Prozeduren "einwandfrei funktioniert" hätten. Der damalige Leiter des Atomkraftwerks habe geäußert, "die notwendige, doch unproblematische Wäsche" würde einige Wochen dauern. "Das Bayerische Umweltministerium schrieb, was sie in solchen Fällen immer schreiben, eine Gefährdung der Bevölkerung habe zu keiner Zeit bestanden", so Kamm. Wenige Wochen später habe dann der Haupteigentümer RWE verkündet, das Kernkraftwerk sei entseucht und solche Pannen würden zukünftig ausgeschlossen. Bald könne das Kraftwerk wieder ans Netz gehen. "Die Bundesregierung bezahlte sogar außerplanmäßig 40,7 Millionen Mark zur Abdeckung des unerwarteten Gundremminger Betriebsverlustes", so Kamm.

Kamm: absichtliche Freisetzung der Radioaktivität "unter behördlicher Kontrolle"

Das radioaktive Wasser sei später ebenso wie radioaktive Gase "unter behördlicher Kontrolle" nach außen geleitet worden. "Es sollen eigene Grenzwerte hierfür fest gelegt worden sein", so Kamm. "Faktenberichte über die frei gesetzte Radioaktivität sind uns nicht überliefert. Allerdings wies im Mai und im September 1985 der Astrophysiker Peter Kafka vom Max-Planck-Institut in Garching darauf hin, dass in einem Gebiet östlich des Kernkraftwerks Gundremmingen in der Zeit von 1968 bis 1978 die Missbildungen bei Kindern nahezu doppelt so hoch gewesen seien wie im Landesdurchschnitt."

Im Jahr 1977 habe man bei näherer Untersuchung des still liegenden Atomreaktors viele Rohranrisse entdeckt. Das bayerische Umweltministerium habe den Austausch der entdeckten schadhaften Rohre verlangt und außerdem auch Nachrüstungen, um ähnliche Unfälle zukünftig auszuschließen. Dazu ist es dann offenbar nicht mehr gekommen. "Ganz beiläufig teilte Jahre später die RWE mit, dass sich die Reparatur nicht mehr lohne", so Kamm. "Das hierfür übliche Wort Totalschaden vermied man."

Insgesamt habe Deutschlands erstes Großkernkraftwerk, das am 1. Dezember 1966 ans Netz gegangen war, rund 15 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert. "Vom im Atomkraftwerk erzeugten hochradioaktiven Brennelementmüll ist noch kein Kilogramm entsorgt", behauptet Kamm. Das Atomkraftwerk mache über seinen derzeitigen Verbleib keine Angaben. Seit Anfang der 1980er Jahre werde am Abbruch des Atomkraftwerksblocks gebaut. "Dafür werden sogar EU-Gelder gezahlt."

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