Politik in Lage

Veranstaltung im Bürgerhaus   -  8. 4. 2016Artikel kommentieren


Im Bürgerhaus in Lage fand am 8. April eine Diskussionsveranstaltung 'Frauen = Opfer? - Erst seit Sylvester?' statt. Teilnehmerinnen waren: Stefanie Nowak-Thormälen vom AWO-Frauenhaus Lippe, Karin Tegeler, von der Frauenberatungsstelle Alraune sowie Elke Wachtmann vom Opferschutz der Kreispolizei, sowie die lippische grüne Landtagsabgeordnete Manuela Grochowiak-Schmieding
      

Sexuelle Gewalt gegen Frauen – informatives Fachgespräch im Bürgerhaus Lage



Der Grüne Kreisverband Lippe hatte vergangenen Freitag zu dieser Veranstaltung eingeladen. Stefanie Nowak-Thormälen vom AWO-Frauenhaus Lippe, Karin Tegeler, von der Frauenberatungsstelle Alraune sowie Elke Wachtmann vom Opferschutz der Kreispolizei informierten die anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer über ihre tägliche Arbeit und gingen auf Fragen der Anwesenden ein. Moderiert wurde der Abend durch den Sprecher des Kreisverbandes Robin Wagener.

Bei ihrem Input stellte die lippische Landtagsabgeordnete Manuela Grochowiak-Schmieding fest: „Die Geschehnisse in vielen Städten in der Silvester-Nacht sind zu verurteilen. Aber sie haben auch dazu geführt, die Thematik sexuelle Gewalt gegen Frauen aus der Tabuzone zu holen und einer breiten Öffentlichkeit klar zu machen, daß diese Straftaten in unserer Gesellschaft schon immer vorgekommen sind. Bei 56%, also mehr als der Hälfte der Opfer, handelt es sich bei den Tatverdächtigen um Angehörige oder Personen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis.“

Eine hohe Fallzahl im familiären Bereich konnte auch Stefanie Nowak-Thormälen, Leiterin des Frauenhauses Lage, bestätigen. Im Frauenhaus können 10 Frauen mit ihren Kindern Schutz finden. 2015 wurden 72 Frauen und 86 Kinder aufgenommen. 45 Frauen mussten aufgrund fehlender Kapazitäten abgewiesen und an andere Frauenhäuser verwiesen werden. Die betroffenen Frauen haben meist jahrelang physische, psychische, soziale und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erlitten, bevor sie im Frauenhaus Schutz suchen. Dort wird ihnen die Möglichkeit gegeben, zur Ruhe zu kommen und mit der Unterstützung der Mitarbeiterinnen eine Perspektive für ein neues Leben zu finden. Spätere Folgekrankheiten, von Schlafstörungen bis hin zum posttraumatischen Belastungssyndrom, belasten die Frauen oft viele Jahre. Und auch die Kinder, die diese Gewalttaten miterleben müssen, sind oft traumatisiert. Das Frauenhaus in Lage, welches in der Trägerschaft der AWO arbeitet, besteht seit 31 Jahren und hat in dieser Zeit bereits mehr als 2.100 Frauen geholfen.

Auch die Frauenberatung Alraune kann schon auf eine mehr als 30jährige Tätigkeit zurückblicken. Alraune bietet eine große Bandbreite an Beratungsangeboten; etwa die Hälfte der Frauen sucht Hilfe wegen einer (sexuellen) Gewalterfahrung. Wie auch beim Frauenhaus besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei. Frau Tegeler erläuterte, daß die Heilung nach einer erlebten Gewalttat umso besser verläuft, je eher das Opfer die Möglichkeit bekommt, über das Erlebte zu reden. Frustrierend für die Opfer sei, daß Anzeigen bei Vergewaltigungen bei der bisherigen Rechtsprechung nur in sehr wenigen Fällen zu einer Verurteilung führen.

Manuela Grochowiak-Schmieding stimmte dem uneingeschränkt zu: „Die Tatsache, daß nur eine Widerstandsleistung zur Strafbarkeit führt, also daß das Opfer sich aktiv zur Wehr setzen muss, gehört dringend geändert. Es muss gelten: NEIN heißt NEIN. Der auf Bundesebene vorliegende Entwurf zur Verschärfung der §§ 177, 179 Strafgesetzbuch (StGB) ist hier nicht weitgehend genug.“

Elke Wachtmann betonte schließlich die Wichtigkeit der Prävention. Aufgrund der Tatsache, daß ein hoher Anteil der Straftaten sexueller Gewalt im familiären Nahbereich geschieht, fällt es den Opfern schwer, nach außen hin Hilfe zu suchen. Geschehnisse werden bagatellisiert, tabuisiert, Betroffenen wird eine eigene Schuld zugeschrieben oder es wird ihnen gar nicht erst geglaubt.

Aufräumen mit Vorurteilen sowie präventive Beratung sind wichtig, um Betroffenen Mut zu machen, sich auch außerhalb der Familie Hilfe zu suchen. Sie besucht daher viele Veranstaltungen, auf denen sie Aufklärungsarbeit leistet und Hilfsangebote vorstellt. Hierfür hat sich in den letzten Jahren ein großes Netzwerk an Kooperationen gebildet. Frau Wachtmann bemängelte zudem, daß viele Kurse für Frauen und auch Kinder eine trügerische Sicherheit vermitteln und zudem die Verantwortung allein dem potentiellen Opfer zuschieben.

Was muss in der Gesellschaft geschehen, um solchen Taten vorzubeugen oder Betroffene zu unterstützen?

Überkommende Rollenbilder gilt es aufzulösen – in Kita und Schule, aber auch durch entsprechende Erziehung zu Hause.

Zivilcourage ist gefragt, wenn es darum geht, Taten – auch schon kleinste Übergriffe – anzusprechen und zu benennen. Jede und Jeder sollte einschreiten, wenn über Dritte diskriminierend geredet wird.

Kinder sollten darin bestärkt werden, Nein zu sagen, wenn sie körperliche Nähe nicht wünschen – das kann auch die Umarmung der Oma sein.

Beratungs- und Präventionsangebote noch stärker bekanntmachen. In NRW gibt es 62 Frauenhäuser, 58 allgemeine Frauenberatungsstellen, 47 Fraueninitiativen gegen sexualisierte Gewalt, 8 spezialisierte Beratungsstellen gegen Menschenhandel und 2 Fachberatungs-stellen zu Zwangsheirat. Darüber hinaus gibt es Frauennotrufe die insbesondere Frauen und Mädchen mit Behinderung beraten.

Abschließend noch ein Wort zur Nationalität der Täter: von den 72 Hilfesuchenden des Frauenhauses, waren 32 Frauen nichtdeutscher Herkunft; von 255 Polizeieinsätzen wegen häuslicher Gewalt im Kreis Lippe, waren 104 Täter nichtdeutscher Herkunft.

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